Vergasereinstellung
Ein paar Worte zur Vergasereinstellung, aus dem Forum
Vielen Dank an 'trischter' , sowie 'YoKeule' für die Anregung und kommende Erweiterungen!
Beim Vergaser der XT/TT arbeiten sehr viele Systeme miteinander und eine ordentliche Einstellung ist die Grundlage für einwandfreies Funktionieren in allen Bereichen.
Im Einzelnen setzt sich ja der Vergaser zunächst aus zwei "parallel geschalteten" zusammen, wobei der in Fahrtrichtung linke, der Primärvergaser, ein Schiebervergaser ist und der rechte ein angekoppelter Gleichdruckvergaser.
Kraftstoffbevorratung (Schwimmerkammer), Kaltstartsystem, Schubanreicherung und Leerlauf- mit Übergangsystem sind im Primärvergaser untergebracht, während der Sekundärvergaser hauptsächlich "nur" mit einem Hauptdüsensystem für Teil- und Vollast gesegnet ist (der Primärvergaser hat freilich auch ein Hauptsystem).
Die Ausführung als Registervergaser erfordert daher auch noch eine einwandfreie Synchronisation des Pärchens. Die Funktionsweise wurde zB auf XT600.de bereits ausreichend und auch für Laien verständlich dargestellt, daher will ich mir diese sparen und will nur noch auf den Grund für die Verwendung des auf den ersten Blick doch recht komplexen Vergasers hinweisen: Ein Schiebervergaser wie der linke arbeitet sehr spontan, ist aber bei grossen Hubräumen nicht ganz einfach über die kompletten Lastbereiche abzustimmen und erquickt seinen Fahrer bisweilen mit wenig erfreulichem Eigenleben. Der Gleichdruckvergaser dagegen ist eher der Gutmütige, aber leider auch im negativen Sinne: er arbeitet eher träge und die Trägheit ist es auch, was den Unterdruckkolben nach ordentlichen Sprüngen schon mal zufallen lässt, was zB. beim Erscheinen der DR350 mehrfach und konsequent bemängelt wurde.
Yamaha plante nun, die Vorteile beider Systeme miteinander zuverbinden: spontanes Ansprechen, hohe Strömungsgeschwindigkeit und damit verbunden, hohes Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen, beim "Zuschalten" des Sekundärvergasers einen grossen Durchlassquerschnitt und damit eben den Benefit guter Zylinderfüllung für hohe Leistung.
Inwieweit dies als gelungen bezeichnet werden mag, will ich hier nicht interpretieren, aber anhand dieser etwas längeren Einleitung will ich verdeutlichen, dass ein Funktionieren des Vergasers als Ganzes von der einwandfreien Einstellung der Einzelsysteme, die ja zudem noch übergreifend arbeiten, abhängig ist.
Ausserdem will ich vorausschicken, dass eine grundlegende und hundertprozentige Vergaserreinigung eine der Voraussetzungen für eine gelungene Einstellung ist. Man kann keine einwandfreie Funktion erwarten, wenn auch nur eines der Teilsysteme nicht seinen Beitrag zum Ganzen leisten kann.
Zur Reinigung gibt es eigentlich nur zwei, ansatzweise drei Möglichkeiten:
Erstens das Yamaha-Vergaserbad. Es gab und gibt nichts besseres. Allerdings will ich lieber nicht wissen, was da alles drin ist, denn mittlerweile wagt Yamaha es nicht mehr, dies anzubieten, leider!
Zweitens ein Ultraschallbad. Leider noch kostspieliger als der Zweiliterkanister mit dem Yamahabad und daher wohl nur Fachwerkstätten vorbehalten, und drittens das "Profi FuelMax", was an sich nur dem Benzin beigemischt wird und Ablagerungen und Verharzungen entfernen soll. Auch wenn es meist gute Ergebisse erbringt, nicht zu viel erwarten: Während Verharzungen gelöst und mitgerissen sowie verbrannt werden, löst diese Brühe keine mechanischen Verschmutzungen oder Verstopfungen, richtet also gegen Sand oder andere Fremdkörper im Düsensystem nichts aus.
Aus gleichem Grund ist ein Durchblasen aller Kanäle nach dem Reinigen im Ultraschall notwendig: durch die Beschallung lösen sich zwar Verstopfungen, man muss aber mit Druckluft dafür sorgen, dass die Kanäle eben auch frei werden...
So, dann noch ne kleine Warnung an des Schraubens Unerfahrene: dass der Vergaser in komplexes Gebilde ist, wurde angesprochen. Meist kriegt man ne passable Einstellung hin, man kann aber auch sehr viel zerstören oder kleine Bauteilchen verlieren, die man nicht einzeln nachkaufen kann. Über die Werkstattqualität wird viel diskutiert und sicher passiert auch Unerfreuliches dort, aber ab nem gewissen Punkt ist es vielleicht ne Überlegung wert, sich nem Profi anzuvertrauen. Auch im Zeitalter des Internets, wo vieles in der Neuanschaffung billiger sein mag als die Reparatur eines Teils, trifft dies zum Einen für den Vergaser nicht hundertprozentig zu und zum Anderen gibt es wirklich noch Werkstätten, die Erfahrung, Können und vorallem Spezialwerkzeuge besitzen, um einen besseren Erfolg zu erzielen, als ein Ahnungloser im Chaos seiner unaufgeräumten Werkstatt (... ), denn:
Sauberkeit gehört bei der Reinigung und beim Einstellen unbedingt dazu. Zu schnell ist ein Teilchen davongesprungen und der Vergaser hat nur noch Schrottwert.
So, nu aber ans Eingemachte:
Die Basis für ein Funktionieren aller Vergasersysteme ist zunächst die korrekte Einstellung der Kraftstoffstandhöhe in der Schwimmerkammer.
Wie diese gemessen wird, wurde hinreichend oft hier erläutert, daher nenne ich nur nochmals den Wert hier:6 +/-0.5mm unterhalb der Schwimmerkammerdichtfläche.
Der richtige Kraftstoffstand MUSS vor allen anderen Einstellungen geprüft oder justiert werden, sonst hat alles andere keinen Sinn!
Dann kommt zunächst ne grobe Grundeinstellung, mit der die Kiste anspringen sollte: Die Gemischregulierschraube mit viel Gefühl bis zum Anschlag eindrehen, dann ca. 2 Umdrehungen wieder herausdrehen. Die vorgeschriebene Einstellung beträgt lt. Clymer 2 +/- 0,5 Ausdrehungen.
Dann die Schieberanschlagschraube soweit ausdrehen, dass sie die Nase des Schieberhebels nicht mehr berührt, wieder eindrehen, bis sie die Nase berührt, ohne den Schieber anzuheben und dann ebenfalls etwa 2 Umdrehungen weiter eindrehen. So sollte der Schieber nen spaltbreit geöffnet und die Maschine zu starten sein. Springt sie nicht an, die Anschlagschraube eher wieder rausdrehen als rein: die Luft, die unterm Schieber hindurch angesaugt werden kann, magert das Kaltstartgemsich ab.
Wenn das Motorrad läuft, Warmfahren. Dies geht nicht auf wenigen Metern, 10 Kilometer sollten es schon sein. Wohl dem, der diese Strecke so legen kann, dass er nicht an jeder Ecke stehenbleiben muss...
Dann die Maschine am besten gerade aufbocken, also mitm Motorradheber. An sich sollte sie nun schonmal im Leerlauf laufen. Tut sie dies nicht, wieder mit der Schieberanschlagschraube nachregulieren.
Der Leerlauf wird nun mithilfe dieser Schraube so reguliert, dass das Motorrad gerade noch so läuft, ohne auszugehen.
Nun dreht man die Gemischregulierschraube Viertelumdrehungsweise heraus und horcht auf den Leerlauf: er wird gerade noch merkbar ansteigen;- auf dem Drehzahlmesser der XT lassen sich da keine Unterschiede ablesen. Ggf kann es sein, dass die Gemischregulierschraube nicht aus- sondern eingedreht werden muss, damit der Leerlauf ansteigt, in einigen wenigen Fällen sind die 2 Ausdrehungen schon das Optimum.
Der Grund, wieso man das macht, ist klar: man versucht, die günstigste Gemischzusammensetzung zu erreichen, die aus Leerlaufgemisch über die Gemischregulierschraube und Luft unterm Schieber hindurch zustandekommt und einen stabilen Leerlauf erbringt.
Steigt durch Drehen an der Gemischregulierschraube der Leerlauf wieder an, reguliert man mit der Schieberanschlagschraube nach, bis der Leerlauf wieder niedrig ist und der Motor gerade noch rund läuft (durch das Runterdrehen des Schiebers versucht man zu erreichen, dass der Motor wirklich nur übers Leerlaufsystem und nicht über zB. das Teillastsystem bedient wird, was die Einstellung verfälschen und zu Problemen in anderen Bereichen, zB dem Kaltstart führen würde).
Man ermittelt nun auf diese Weise diejenige Stellung der Gemischregulierschraube, bei der die Motordrehzahl am höchsten ist. Die Vorgehensweise ist immer gleich: Drehzahl mit der Anschlagschraube möglichst niedrig einstellen, Viertelumdrehungsweise an der Gemischregulierschraube drehen, bis die Drehzahl nicht mehr weiter ansteigt, wenn man sie weiterdreht, mit der Anschlagschraube Drehzahl wieder runterregulieren, wieder an der Gemischregulierschraube spielen und immer so weiter. Wenn man das Spiel etwa zwei, drei Mal gemacht hat, wird der Leerlauf nicht mehr höher und man hat die optimale Einstellung erreicht. Dann ist es meist sinnvoll und nötig, die Leerlaufdrehzahl wieder etwas zu erhöhen, was nun, logo, mit der Schieberanschlagschraube geschieht.
Zur Kontrolle stellt man dem Motor ab und kickt ihn sofort wieder an. Normalerweise sollte er auf den ersten, zweiten Kick starten. Dies kann man n paar Mal machen und das Gefühl auskosten, wenn er anspringt...
Während er abkühlt, kann man noch n paar Mal probieren;- er sollte immer maximal beim zweiten Tritt anspringen.
Wenn er wieder ganz kalt ist (über Nacht stehenlassen...), den Chokeknopf ganz herausziehen;- auch jetzt sollte die Maschine aufn zweiten Tritt starten und mit weiter gezogenem Choke laufen, ohne dass man mitm Gas spielen muss.
Prinzipiell ist zu sagen, dass man bei ordentlich justiertem Vergaser den Gasgriff nur zum Fahren betätigen muss: die Kiste muss kalt mit Choke und warm anspringen, ohne dass man Gas gibt dabei, ebenso muss sie kalt (mit Choke) und warm laufen, ohne Unterstützung mit dem Gasgriff zu benötigen. Der einzige Betriebszustand, bei dem Gasgriffunterstützung notwendig sein kann, ist der Bereich, wo der Motor nicht mehr mit Choke läuft, aber noch nicht warm genug ist, um ohne Choke rund zu laufen. Hier ist es grundsätzlich der falsche Weg, den Motor mit Gasstössen am Laufen zu halten. Richtig wäre es in dem Fall, den Leerlauf mit minimal gedrehtem Gasgriff leicht zu erhöhen.
Lassen sich diese Annehmlichkeiten nicht provozieren, gibt es dafür bei wirklich ordentlich gereinigtem Vergaser folgende Gründe:
- Abmagerung des Gemischs durch undichte Ansaugstutzen,
- ne undichte Membrane im rechten Vergaser oder
- ne defekte (undichte) Membrane im Schubanreicherungssystem (bisher noch kein Schaden dieser Art bekannt!).
Weitere Fehler, die eine korrekte Einstellung verhindern, wären Folgende:
- falscher, nicht richtig geölter, verbrannter oder verschmutzter Luftfilter
- mechanische Defekte am Motor, zB. undichte Ventile, verstellte Steuerzeiten, schlechte Kompression
- Schwimmerkammerbelüftung nicht vorhanden: die Schlauchstutzen sind an sich so gut wie nie verstopft, Spezialisten verbinden aber den rechten mit dem linken Stutzen mittels eines Schlauchs und legen die Belüftung damit still. Dies hätte theoretisch als Folge, dass der Vergaser im Stand überläuft und bei der Fahrt stark abmagert, praktisch passiert aber meist irgendwas, auf jeden Fall läuft die Kiste nicht richtig.
Der Kraftstoffstand ändert sich unbeherrschbar, wenn entweder das Schwimmernadelventil undicht ist (seltenst!) oder der O-Ring des Schwimmernadelventilsitzes undicht wird.
Trotz korrekter Einstellung des Vergasers haut der Kaltstart nicht hin, wenn die Schieberanschlagschraube zu weit eingedreht ist und der Schieber dementsprechend zu weit offen ist. Dann saugt der Motor kein fettes Gemisch ausm Kaltstartsystem, sondern reine Luft unterm Schieber durch an. Klar, dass der Motor damit nicht läuft.
Weiterer Schwachpunkt ist die Kaltstartkraftstoffdüse. Diese sitzt in der Schwimmerkammer in nem senkrechten, in Fahrtrichtung sich vorne befindlichen Kanal ganz unten und wird gerne vergessen (was der eigentliche Schwachpunkt ist, es liegt also weniger an der Düse selbst... )
Abschliessend noch n paar Worte zur Synchronisation: diese ändert sich an sich nicht, wenn man die Vergaser aber komplett zerlegt, kann eine Einstellung notwendig sein und eine Überprüfung bei ausgebautem Vergaser schadet sicher auch nicht.
Zunächst muss der Öffnungsanschlag des Schiebers eingestellt werden. Dabei geht es weniger um den Schieber an sich als um die Position der Düsennadel. Der vorgegebene Einstellungswert sieht vor, dass der Schieber voll geöffnet etwa 0,1mm über den Ansaugquerschnitt geöffnet ist,... "der Schieber geht als 0,1mm weiter auf als der Venturidurchmesser dick ist"...
Mit der federbelasteten Einstellschraube zwischen den Vergasern kann man dann die Drosselklappe des Sekundärvergasers einstellen: Die Drosselklappe soll sich öffnen, wenn bei der XT der Schieber des linken Vergasers 2,5mm, bei der TT 3,3mm geöffnet ist.
Zum Vereinfachung der Einstellung kann man hier nen 2,5er bzw 3,3er Bohrer (3,2mm ginge auch, das ist der Kernlochbohrer für M4!) unter den Schieber klemmen (auf der dem Motor zugewandten Seite) und dann die Drosselklappe einstellen. Als Kontrolle gibt man Vollgas. Nun muss die Drosselklappe genau waagrecht, also voll geöffnet im Ansaugrohr stehen. Dieser Umstand hätte Priorität, dh., wenn die Drosselklappe bei 2,5mm oder 3,3mm nicht waagrecht steht, würde ich lieber den Öffnungszeitpunkt abweichend von den Angaben einstellen als in Kauf zu nehmen, dass die Drosselklappe bei Vollgas den Ansaugquerschnitt verengt... (c) xt350.de / Der Urheber