Es überkam mich. Es überkam mich so, wie es nur jemand überkommen kann, der Motorrad fährt.
Ich musste fahren. Heute, bei Scheisswetter!
Nun gut, gedacht - getan. Problem! Womit sollte ich fahren?
Wer mehrere einspurig-zweirädrige Gefährte sein eigen nennt, weiss wovon ich jetzt rede: Mit welchem der in Frage kommenden Fahrzeuge soll das Motorrad-Jahr defloriert werden?
Zum ersten Mal fuhr ich ob beruflichen Gram und Ungemach mit häufiger Abwesenheit nicht "durch" und sah mich plötzlich in der peinlichen und unerwarteten Lage, einen Frühling, ein Motorradjahr und das Ende des Winters gleichzeitig einzuläuten. Nur womit?
Behufs der Intensivierung meiner kontemplativen Phase begab ich mich rauchend in die Werkstatt, um den Eintscheidungsprozess durch körperliche Nähe zu beschleunigen:
Sollte ich das Jahr gemächlich stilvoll, jedoch reichlich laut und stinkend auf einem NSU Quickly beginnen? Oder eher sportlich-ambitioniert auf der GPZ? Oder das Beste zuerst und die XT in Gang setzen?
Abwägend und leise vor mich hin sinnierend kam mir schlagartig die Erkenntnis: Übel und Ärger hat man reichlich - warum sich nicht das Beste nehmen und den Rest vergessen? Also gut, XT musste es sein! Dass es arg nach Regen aussah und ich evtl. noch abseits befestigter Wege gewisse Sachverhaltsaufklärungen zu betreiben hatte, mag auch mit den Ausschlag gegeben haben, aber egal: Nun würde sich zeigen, ob "Einwintern" - wie ich immer so gerne behaupte - wirklich für´n Arsch ist, oder ob ich mich jetzt gleich zu Tode kickend Asche-behauptet mir selbst den Ast absägte, auf dem ich zu sitzen gedachte.
Flugs den Motorrad-Ornat angelegt, freudig festgestellt, dass die Mopped-Hose trotz winterlicher Völlerei nicht mehr als im Herbst zwickt, noch kurz in die Reifen gehustet und los ging´s.
Die erste Enttäuschung: Der Tank ist fast leer. Ein oeder zwei Liter waren´s wohl noch, aber für das, was ich vorhatte eindeutig zu wenig. Musste also noch tanken. Mist!
Egal, Mopped aus der Werkstatt geschoben, Helm auf, Hahn auf, Choke raus, paarmal durchgetreten, sanft - beinah erotisch - über den Totpunkt gefusselt, Zündung an, Kill an und TRITT!
NIX!
Ähem, das hatte ich mir anders vorgestellt. Nochmal das Ganze und TRITT!
NIX!
Sollte man vielleicht doch einwintern? Vergaser leeren, Batterie ausbauen, Tank vollmachen, Öl wechseln (O.K., hatte ich), einmal durch´s Gebälk wienern? TRITT!
NIX!
Hmm, das hörte sich nicht gut an. Mopped auf Seitenständer, nochmal sanft den Totpunkt überfusseln und mit Schmackes: TRITT!
Puff! Puff! Puff! Aus...
SIE LEBT!!!!!
Noch´n Tritt und es kehrte das Leben zurück in ihre Innereien. Langsam steigernd auf die gewohnten 2000 U/min Kaltleerlauf arbeitete sie sich hörbar mühsam hinauf um dann - als ob nichts gewesen wäre - dort zu verharren.
Kupplung gezogen, ein leichtes Ruckeln im Getriebe und wir waren unterwegs - zur Tanke!
Hab ich schon mal erwähnt, dass Tanken scheisse is? Gut hiermit hab ich! Nicht nur, dass einem das inzwischen Mengen vom sauer-verdienten kostet, die an sich intolerabel sind, auch den Vorgang als solches finde ich sommers wie winters eher doof: Winters ist man so warm angezogen, dass man´s schwitzen anfängt beim Befüllen, woraufhin man hinterher beim Fahren friert. Sommers ist man so warm angezogen, dass man´s schwitzen anfängt beim Befüllen..... Ihr versteht?
Gut, frisch betankt ging´s endlich los. Nur nicht so richtig, weil irgendwie ging das alles besser - im letzten Jahr. nein, nicht nur die eigene Ungelenkigkeit auf´m Mopped, nein, der Motor der XT lieferte seine Liestung nur in höchstem Masse unwillig ab. Mitunter ruckelnd, wenig drehfreudig und alles in allem einfach zäh. "Harzig" sagen die Schweizer und genauso fühlte es sich an.
Hätte ich vielleicht doch den Vergaser ausleeren sollen? Waren 5 Monate am Ende doch zu lang?
Derlei Gedanken nachhängend fuhr ich also durch die Stadt gen auswärts, als ich erstaunt feststellte: Es wurde besser! Nicht dass schon von einem satten Durchzug gesprochen werden hätte können, aber sie bewegte sich doch zumindest weniger unwillig.
Nach gut 10km endlich auf der Landstrasse angekommen, drehte ich langsam weiter und weiter am Hahn um schlussendlich an dessen Ende anzukommen. Das Ende der Tachoskala war hingegen noch sehr viel weiter weg. 100! 100 gingen, mit eingezogener Rübe 110!
Hätte ich doch die vor-winterliche Generalinspektion machen sollen? Aber ich hatte doch keine Zeit, war unterwegs...
Denselben Gedanken nachhängend und ohne das Gerät weiter mit Drosselklappen auf Anschlag - will sagen nicht mehr Vollgas - zu quälen, kam ich an die Donau, welche ob ihres Hochwassers meinen sport-fischereilichen Ambitionen nicht just eben entgegenkommt. Schnell ein paar der in Frage kommenden Planstellen sondiert, ein wenig im Schlamm erdgeferkelt (Schlamm war reichlich!), dachte ich gar nicht mehr an die etwas mühsame Anfahrt sondern erfreute mich der Leistung, mag dieselbe auch einer KTM unwürdig, einer Berg peinlich und einer Husky ignorabel erscheinen, mir genügte es und gefiel es über die schlammigen Feldwege zu "donnern", am Donauufer zu "fräsen" und den einen oder anderen Meter zu wheelisieren.
Und siehe da! Anscheinend wirkte sich meine Fahrfreude ansteckend auf´s Gerät aus. Plötzlich hing´se spontaner am Gas, lupfte - erst schüchtern, dann freimütig - das Vorderrad, ejakulierte Fontänen des Schlamms achtern in die Landschaft und erweckte plötzlich den Eindruck AUCH wach zu sein. Anscheinend musste sie nur ein wenig artgerecht bewegt werden, um wieder zu sich selbst zu finden. Nun, das bekamen wir hin!
Heimwärts ging´s wieder mit den gewohnten 135 - ohne irgendwas einziehen zu müssen. Dass zwischenzeitlich ein ausgesprochen sehr Wolkenbruch auf uns herniederging, sei nur deshalb erwähnt, weil sich damit die Reinigung nach der Schlammerei selbst erledigt hatte und ich das Gerät wie eingesammelt wieder da abstellen konnte, wo´s hingehört.
Und ich weiss wieder, warum ich XT fahre. Ganz lakonisch bayrisch: Mei, sie geht halt 
hat richtig spaß geamcht gestern...und alles trocken gewesen 
